Bedenkt man die Hintergründe von „Neon Bird“ könnte man fast denken: es gibt erschreckende Parallelen zu unserer heutigen Situation – der Corona-Pandemie. Ein Virus, dass sich auf der gesamten Welt ausbreitet und Menschen das Leben kostet. Als ich das Buch zu lesen begann -im Dezember 2019 -, war ein solches Szenario für mich noch ziemlich realitätsfern. Für Okijen, Andra, Flover und Luke jedoch ist das Leben mit dem Virus, der KI KAMI, schon seit vielen Jahren bittere und grausame Realität, gegen die die Menschheit nicht gewappnet ist.
AUTOR Marie Grasshoff
VERLAG Lübbe
ERSCHIENEN 2019
SEITEN 464
Übersetzer –
PREIS 15 € (Broschiert)
GENRE Science-Fiction / Fantasy
REIHE Band 1
ISBN 3404200004
LESEZEIT 8h 11m
Klappentext
„Es ist das Jahr 2101. Ein außer Kontrolle geratener technischer Virus verwandelt Menschen in hyperfunktionale Cyborgs, die dem Willen der künstlichen Intelligenz KAMI gehorchen. In Sperrzonen eingepfercht, werden sie von Supersoldaten bekämpft, die man weltweit als Stars feiert. Doch die Mauern beginnen zu bröckeln. Sekten beten KAMI als Maschinengott an. Und während der Kampf zwischen Menschheit und Technologie hin und her wogt, versuchen vier junge Erwachsene, den Untergang ihrer Zivilisation zu verhindern …“
Inhalt
Luke befindet sich mit einem Praktikanten in einer der Militärstationen an den Sperrzonen, als ein durchdringender Alarm durch das Gebäude schallt. Ein Angriff der Moja – Menschen, die mit dem Virus einer künstlichen Intelligenz infiziert wurden und ihre gesamte Menschlichkeit verloren haben, Teil von KAMI geworden sind. KAMI – eine übermächtige KI; für einige anzubetende Gottheit und für die meisten eine stete Bedrohung, kurz vor der Eskalation. Lukes bester Freund, Mitbewohner und Mitglied einer Spezialeinheit zur Bekämpfung von Moja, Flover, kommt gemeinsam mit den anderen Truppen gerade rechtzeitig, um Luke zu retten.
Nur wenige Kilometer neben dem angegriffenen Militärstützpunkt liegt das Dorf eines indigenen Volkes, in dem Andra aufgewachsen ist. Die Moja überrennen das Dorf und nehmen der jungen Frau alles, was ihr lieb und teuer ist. Elitesoldat und Kriegsheld Okijen nimmt die plötzlich heimatlos gewordene Andra zu sich – zwei gebrochene Seelen, die einander irgendwie gut tun.
Als Flover jedoch auf Ungereimtheiten stößt, wendet er sich vertrauensvoll an Okijen und plötzlich kämpfen unsere Helden um das Überleben der gesamten Menschheit.
Meinung
Dafür, dass mich das Buch (insbesondere zum Ende hin) umgehauen hat, habe ich doch etwas länger dafür gebraucht. Zum einen lag das daran, dass ich immer wieder Bücher zwischenschieben musste (z.B. für die Uni). Zum anderen aber konnte es mich insbesondere zu Beginn stellenweise nicht so packen, dass ich es nicht hätte aus der Hand legen können. Mittlerweile bereue ich das, denn wie bei vielen anderen Büchern hat sich dann doch nach den ersten Kapiteln ein starker „Sog“ entwickelt.
Die Welt, in der unsere vier Protagonisten leben, ist erschreckend. KAMI befällt lautlos Menschen und lässt sie zu gefühllosen und gefährlichen Hybriden mutieren. In sogenannten Sperrzonen werden die Moja zurückgehalten, doch wie lange halten diese Schutzvorkehrungen noch? KAMI lernt, die Moja werden stärker. Eine sehr bedrückende Stimmung und eine herausragende Kulisse für eine Dystopie. Insgesamt empfand ich die Welt von Neon Birds und die Geschichte selbst als unglaublich spannend und die Wahl der Standorte war für mich, als Slawistin und Mongolei-Liebhaberin, natürlich erstklassig. (Die Geschichte spielt in Teilen in Moskau und Ulan Bator.)
Die vier Protagonisten waren mir alle von Anfang an unglaublich sympathisch. Besonders Andra und Okijen haben es mir angetan: die tapfere Kriegerin und der mit Technologie aufgerüstete Supersoldat – und beide auf ihre Weise gebrochen, vernarbt. Dabei jedoch nicht verbittert, sondern herzensgut und immer noch irgendwie hoffnungsvoll.
Flover und Luke waren mir am Anfang etwas weniger „nah“, das hat sich jedoch während des Kennenlernens stark verändert. Im Gegensatz zu Andra und Okijen, die man recht schnell kennen lernt und verstehen lernt, sind Flover und Luke geheimnisvoller. Luke schleppt ein wirklich großes Geheimnis mit sich und Flover kämpft mit den Schatten seiner Herkunft. Besonders zum Ende hin – wer Neon Birds gelesen hat, wird verstehen – hat mir Flover beinahe das Herz gebrochen. Zum Glück nur beinahe.
Vom Sprach- und Erzählstil her hat mir Neon Birds ebenfalls sehr gut gefallen. Die Einnahme der unterschiedlichen Perspektiven hat sehr gut funktioniert und war für den Leser auch insofern spannend, da er die Situation aus vier grundlegend verschiedenen Perspektiven kennen lernen konnte.