Mörderinnen
von Veikko Bartel
240 Seiten
Mosaik 2018
Sachbuch / Kriminalität
Ich war selten von einem Buch so überrascht, wie von diesem. Ja, mich interessieren Kriminalfälle schon immer und der Blick in die reale Welt ist noch einmal interessanter, als die (von mir ebenfalls geliebten) Krimi-Serien und -Bücher. Daher war es auch kaum verwunderlich, dass mich „Mörderinnen“ sofort ansprach. Aber dass es mich so in seinen Bann ziehen würde – DAS hatte ich nicht erwartet.
Ich habe das Buch tatsächlich, abgesehen von kurzen Schlaf-, Ess- und Uni-Pausen, nicht aus der Hand legen können und in einem Rutsch durchgelesen. Aber der Reihe nach!
Veikko Bartel ist Strafverteidiger. In „Mörderinnen“ erzählt er von vier Fällen, in denen jeweils Frauen zur Mörderin wurden: Die Frau, die ihr Baby tötet und kocht. Die Frau, die nach Jahrzehnten der glücklichen Ehe auf ihren Mann einsticht. Die Frau, die ihren Mann vergiftet hat. Und jene Frau, die trotz unschuldiger Fassade der Inbegriff des Sadismus sein muss.
In seinem Buch beantwortet Bartel eine Frage, die ich mir schon so verdammt oft gestellt habe: Wie können die das? Einen Mörder, einen Schuldigen verteidigen? Wie kann man damit umgehen? Wie das mit dem eigenen Gewissen, der eigenen Moral vereinbaren? Veikko Bartel hat mir diese Frage nicht nur beantwortet, sondern vielmehr habe ich nun ein tiefgreifendes Verständnis für den Beruf des Strafverteidigers. Und damit hat der Autor meiner Meinung nach bereits eine gehörige Leistung vollbracht.
Besonders mitgenommen hat mich der Fall jener Frau, die ihr Baby tötete. Beachtlicher finde ich hierbei , wie es Bartel gelingt den Fall so darzulegen, dass man zu Beginn am liebsten selbst den Hals der Dame hätte umdrehen wollen, am Ende der „Verteidigung“ jedoch tiefes Verständnis hegt und das gefällte Urteil deutlich zu hart getroffen empfindet. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber eines hat mir Bartel – nicht nur im kriminalistischen, sondern vielmehr auch im alltäglichen Leben – klar gemacht: Man darf niemals urteilen, ohne auch die Vorgeschichte, das Warum, zu hinterfragen. Nein, der Mord eines Babies kann nicht gerechtfertigt werden – ganz klar. Aber wie es dazu kam, macht den Unterschied zwischen „Das Monster“ und „Die verzweifelte und liebende Ehefrau und Mutter“.
Insgesamt ein herausragend spannendes und interessantes Buch über die Abgründe der menschlichen Psyche und geschrieben durch einen Menschen, der nicht nur das Zeug zum Anwalt, sondern auch zum Autor hat. Ich freue mich schon sehr, dass bald Veikko Bartels zweites Buch erscheinen wird: am 04. März erscheint „Mörder“. Selbstverständlich werde ich euch auch von diesem Buch berichten!